Auf den richtigen Pfiff kommt es an
Kein Spiel ohne Schiedsrichter. Diese einfache Formel kennt jeder Sportler. Doch immer mehr Partien können im Handball nicht mehr ausgetragen werden, weil es immer häufiger an Referees fehlt. Der Trend ist seit Jahren rückläufig. Die SG H2Ku Herrenberg steuert seit etwa drei Spielzeiten offensiv dagegen – mit vorzeigbarem Erfolg.
Samstagmittag in der Böblinger Murkenbachhalle. Malin Kollinger gibt das Spiel zweier C-Jugendmannschaften mit einem klaren Pfiff frei. Das hört sich erst einmal unspektakulär an. Aber, so Darius Schanz: „Das Erste, was ein Referee lernen muss, ist, die Pfeife richtig zu benutzen“. Für Schanz ist dies das Einmaleins eines jungen Schiedsrichters. Schanz selbst ist ein umtriebiger Unparteiischer aus den Reihen der SG H2Ku, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Begeisterung für das Schiedsrichterleben an den Nachwuchs weiterzugeben. Für das Jahr 2019 gab es die Vorgabe des Handballverbandes Württemberg (HVW), alle Spiele unterhalb der C-Jugend-Altersklasse mit Kinderhandballspielleitern zu besetzen. So sperrig der Name erscheinen mag, war die Idee doch recht simpel. Der Heimverein stellt den Unparteiischen – so entfallen Fahrtkosten, der Aufwand ist geringer und die jungen Spielleiter sind in einer für sie gewohnten Umgebung unterwegs.
„Manche Vereine traten zu diesem Zweck an die älteren Jugendspieler heran, wir haben das Ganze bewusst mit C-Jugendlichen initiiert“, meint Darius Schanz, der zusammen mit Marcel Kohler, den Leiter der Herrenberger Handballschule, das Projekt leitet. Beim ersten Seminar, an dem alle C-Jugendmannschaften der SG verpflichtend teilgenommen haben, haben sich letztlich zehn Spieler bereiterklärt, den Spielleiter zu übernehmen. Unterstützt wurden sie dabei von Paten, die sich nicht nur aus aktiven Schiedsrichtern, sondern auch aus aktuellen und ehemaligen Spielern und Funktionären der Herrenberger SG zusammensetzen. Mit dabei waren und sind etwa Kai Wohlbold, Jan Rhotert, Johannes Roscic, Georg Mohr, Lea Neubrander oder Laura Waldenmaier. Sie alle betreuen die Kinderhandballspielleiter, geben Tipps und besprechen die Spiele im Nachgang. Das Credo hinter der Patenschaft lautet: „Der Schiedsrichter ist schützenswert“. Denn der Pate achtet auch darauf, dass es um das Spiel herum fair bleibt und es zu keinen verbalen Attacken kommt.
Die nächste Stufe für die Kinderhandballspielleiter ist dann der Jungschiedsrichter. Wie bei Malin Kollinger. Die 17- Jährige hat ihr Spiel in Böblingen souverän und unaufgeregt geleitet. Das bestätigt nach Spielschluss auch ihr Pate Ewald Hirneise, der ein wachsames Auge auf die Jungschiedsrichterin hat. Weitere Paten bei der SG H2Ku sind unter anderem Thomas Hennefarth, Nico Dongus, Florian Liss und eben Darius Schanz.
Malin Kollinger ist gemeinsam mit Fyn Gwinner und Jonas Gregor eine von drei Jungschiedsrichtern, die nach dem Kinderhandballspielleiter bei der Stange geblieben sind. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis“, so Schanz, der nebenher selbst noch in der dritten Männermannschaft spielt. Was motiviert nun aber junge Menschen für eine solche Tätigkeit? „Schon vor der ersten Schulung hat mich das Thema interessiert“, erzählt die Herrenbergerin Malin Kollinger, die für die SG H2Ku pfeift, aber momentan ihre Tore für die Stuttgarter Kickers wirft. „Man hat die Kontrolle über das Spiel und sieht das Ganze mit völlig anderen Augen“, meint sie. Einen wichtigen Aspekt für alle, die nach ein oder zwei Spielen die Flinte wieder ins Korn werfen wollen, führt sie aber auch an: „Man muss das schon eine Weile machen, um in den Genuss des Schiedsrichterdaseins zu kommen“. Erst mit der Sicherheit und dem Selbstverständnis, die mit der Zeit kommen, spüre man das „Gesamtpaket“ als Unparteiische.
SG H2Ku hat einen Arbeits-
kreis Schiedsrichter gebildet
Inzwischen ist bei der SG H2Ku bereits der zweite Lehrgang für die Kinderhandballspielleiter abgehalten worden. Auch hier haben acht Jungen und Mädchen ihre Tätigkeit für die Nachwuchsspieltage zugesagt. „Das zeigt uns, dass wir das richtige Konzept fahren“, sagt Darius Schanz. Auch die Rückmeldungen des HVW und anderer Vereine seien durchweg positiv. Darüber hinaus hat nun die Schiedsrichtergewinnung bei der SG H2Ku auch noch ein weiteres Standbein. Unter der Regie von SG-Vorstandsmitglied Jan Engau wurde vor einem Jahr der Arbeitskreis Schiedsrichter gegründet. „Was können wir tun, um mehr Handballer als Schiri für die SG zu begeistern, lautete für uns die Frage“, so Engau zur Zielsetzung. Allein finanziell ist es problematisch, führt Jan Engau aus: „In den letzten Jahren kam so allein ein unterer fünfstelliger Betrag an Strafzahlungen für nicht gestellte Schiedsrichter zustande. Natürlich ganz zu schweigen vom gesamtgesellschaftlichen Problem, wenn Spiele wegen fehlender Referees ausfallen.“
So wurden in mehreren Arbeitssitzungen inzwischen Ideen und Konzepte entwickelt, die nun in die Mannschaften und auch in den Vorstand getragen werden. „Können wir nicht auch Schiedsrichter sponsern lassen? Ein Banner in der Markweghalle, ein Infostand bei den Heimspielen.“ Das sind nur einige Vorhaben, die Jan Engau verrät. Mit Robert Wagner hat ein erster Aktiver inzwischen die Schiedsrichterausbildung absolviert.
Gäubote 07.04.2022